Kind„Mama, mein Kieferorthopäde hat gesagt, dass ich zur Sprachtherapie muss. Aber ich spreche doch gut!“
Was hat die Zahnstellung mit dem Sprechen und dem Zusammenspiel der Muskeln im Mund zu tun? Kann man beim Schlucken etwas falsch machen? Warum stört der Schnuller im Mund? Was bewirkt eine ungünstige Körperhaltung?

Auf all diese Fragen werden Sie nach dem Lesen dieses Artikels eine Antwort wissen!

 

Funktionen im Mund- und Gesichtsbereich

Der Mund hat viele Aufgaben. Für einen Säugling ist er das zentrale Wahrnehmungsorgan. Nimmt der Säugling Gegenstände in den Mund, so entdeckt er ihre Form und Beschaffenheit. Die detaillierten Sinneseindrücke, die der Mundraum ihm liefert, werden im Gehirn geordnet und gespeichert.

Eine weitere Funktion des Mundes ist die Nahrungsaufnahme. Beim Aufnehmen, Betasten, Schmecken, Zerkleinern und Schlucken von Speisen hat die Zunge als zentrales Mundorgan eine entscheidende Bedeutung. Mit ihrer großen Beweglichkeit nimmt sie Kontakt zu Lippen, Wangen, Kiefer und Zähnen auf. Als Weichgewebe (Muskel) hat sie damit auch formenden Einfluss auf Hartgewebe wie Kiefer, Gaumen und Zähne.

Besondere Bedeutung kommt dem Schlucken zu. Normale Schluckbewegungen formen im Kindesalter den Oberkiefer aus. So werden wichtige Voraussetzungen für eine gute Aussprache geschaffen.

Der Mensch schluckt bis zu 2000 x am Tag, im Durchschnitt 2 x pro Minute – und das, ohne darüber nachzudenken: Zunächst wird die Nahrung abgebissen und mit den Zähnen zerkleinert. Die Speise wird mit Speichel vermischt, zu einem Speisebrei geformt und auf der Zungenmitte platziert. Danach drückt die Zungenspitze hinter die vorderen Schneidezähne, berührt dabei aber keinen Zahn. Eine wellenförmige Bewegung der Zunge befördert den Speisebrei am Gaumen entlang in den Rachen. Dort wird ein Schluckreflex ausgelöst, der automatisch abläuft und nicht beeinflussbar ist. Beim gesamten Kau- und Schluckvorgang sind die Lippen geschlossen. Kurz vor dem eigentlichen Schlucken schließen sich die Zähne, damit keine Speise in die Wangentaschen fällt.

In Ruheposition – wenn also nicht gerade geschluckt oder gesprochen wird – liegt die Zunge hinter den oberen Schneidezähnen auf einem Wulst, der Papilla incisiva. Dies ist der sogenannte Zungenruhelagepunkt. Die Lippen sind geschlossen, die Luft wird durch die Nase eingeatmet.

Bei Säuglingen und Kleinkindern kann die Zunge aufgrund der Still- bzw. Saugbewegung bis zu einem Alter von ca. 3 Jahren zwischen den Zähnen liegen. Diese Art des Schluckens nennt man kindliches Schluckmuster oder auch infantiles Schlucken.

Mit der Zeit entwickelt sich das Sprechen. Die Artikulation ist ebenfalls auf fein abgestimmte Bewegungen von Zähnen, Kiefer, Lippen, Zunge und Wangen angewiesen. Zahlreiche Muskeln sind beteiligt, wenn wir beispielsweise [b – p] oder [d – t] aussprechen. Normalerweise besteht im Mund ein Gleichgewicht zwischen festen Strukturen (Kiefer, Zähne, Gaumen) und den umliegenden Muskelgruppen (Lippen, Wangen, Zunge). Dieses Gleichgewicht wird durch die „Teamarbeit“ verschiedener miteinander verbundener Körperbereiche hergestellt. So unterstützt eine aufrechte Körperhaltung auch eine gerade Kopfhaltung. Diese ist ihrerseits Voraussetzung für optimale Bewegungen im Mund- und Gesichtsbereich. Ebenso ist für die korrekte Aussprache und eine problemlose Nahrungsaufnahme eine normale Zahn- und Kieferstellung notwendig, geschlossene Lippen sind die Voraussetzung für eine gesundheitsförderliche Nasenatmung usw.

Erscheinungsformen und Ursachen gestörter Funktionen in Mund und Gesicht

Eine Störung im Mund- und Gesichtsbereich zieht oft viele weitere Veränderungen nach sich, denn das gesamte System gerät ins Ungleichgewicht. Meist ist es schwierig herauszufinden, was die eigentliche auslösende Ursache war, weil häufig mehrere der im Folgenden beschriebenen Punkte gleichzeitig in Erscheinung treten.

Gewohnheiten

Viele Kinder haben immer wiederkehrende Gewohnheiten, um sich zu beruhigen: Daumenlutschen, Schnullern, Lippenbeißen oder an Gegenständen saugen (Kuscheltier). Das Lutschen am Daumen beziehungsweise das Nuckeln am Teddy dienen als Einschlafhilfe oder als Retter in stressigen Situationen (bei Streit, spannenden Fernsehsendungen etc.).

Leider üben diese Gewohnheiten, je länger sie beibehalten werden, einen schädlichen Einfluss auf das Gleichgewicht von Kiefer, Zähnen und Muskeln aus. Je nach Häufigkeit und Intensität können sie den Kiefer sogar verformen oder die Zahnstellung verändern. Daumenlutschen beispielsweise bewirkt, dass der Oberkiefer schmal und spitz nach vorne gezogen wird. Der Zunge bleibt schließlich so wenig Platz, dass sie sich nach vorne zwischen oder gegen die Zähne orientiert. Die oberen Schneidezähne geraten damit zwangsläufig in eine fehlerhafte Stellung, was noch dazu ein falsches Schluckmuster zur Folge haben kann.

Auch Jugendliche und Erwachsene haben zum Teil schädliche Eigenarten: Zähneknirschen, Zähnepressen, Zungenpressen, Wangensaugen oder Nägelkauen zum Beispiel. Diese treten sowohl am Tag als auch in der Nacht auf und werden meistens unbewusst eingesetzt. Häufig sind schädliche Gewohnheiten auf Stress zurückzuführen und dienen dem Spannungsabbau. Gönnen Sie sich, beziehungsweise Ihrem Kind, regelmäßig Entspannung, Auszeiten und Erholung!

Gewohnheiten können ungünstige Einflüsse auf Zähne, Zahnersatz, Zahnfleisch und das Kiefergelenk ausüben. Kopfschmerzen und Gesichtsverspannungen sind häufig die Folge von zu starkem Druckaufbau durch Zähneknirschen, -pressen und/oder Zungenpressen.
Bei einem fehlerhaften Schluckmuster wird häufig auch Luft mitgeschluckt, was u. a. Magendrücken oder Blähungen auslösen kann.

Zahn- und Kieferfehlstellung

Zahn- und Kieferfehlstellungen können verschiedene Ursachen haben. Entweder sind sie angeboren – oder sie werden durch Unfälle bzw. durch schlechte Gewohnheiten wie Daumenlutschen hervorgerufen. Für eine ungestörte Nahrungsaufnahme und für das richtige Sprechen ist eine normale Zahn- und Kieferstellung jedoch Voraussetzung. Besteht beispielsweise zwischen den oberen und unteren Frontzähnen eine Lücke, so orientiert sich die Zunge fast immer dorthin. Sie drückt dann beim Schlucken nicht gegen den Gaumen, sondern gegen bzw. zwischen die Zähne, was zur Folge hat, dass die Zähne durch die Kraft der Zunge immer weiter auseinandergefächert werden. So entsteht eine Zahnfehlstellung, die Fachleute einen „offenen Biss“ nennen.

Das kann der Beginn einer auf Dauer fehlerhaften Zungenmotorik sein und hat weitreichende Konsequenzen. Sind nämlich diese orchesterähnlich aufeinander abgestimmten Bewegungsabläufe an einer Stelle gestört, so wirkt sich diese Störung auf alle beteiligten Muskeln im Mundraum aus.

Auch beim Sprechen liegt die Zunge dann viel zu weit vorne und stößt gegen oder zwischen die Zähne. Auf diese Art und Weise entstehen Lispeln und andere Artikulationsfehler. Außerdem ist es fast unmöglich, den Mund zu schließen, sodass zwangsläufig durch den Mund anstatt durch die Nase geatmet wird.

Abweichendes Schluckmuster

Von einem abweichenden oder falschen Schluckmuster wird immer dann gesprochen, wenn die Zunge beim Schlucken anstatt gegen den Gaumen gegen oder zwischen die Zähne drückt.

Man unterscheidet verschiedene Formen von Schluckabweichungen. Die Zunge kann zum Beispiel gegen die oberen oder/und unteren Schneidezähne drücken, sich zwischen die Frontzähne schieben oder einseitig bzw. beidseitig gegen oder zwischen die Backenzähne pressen. Häufig orientiert sich die Zunge in Richtung Zahnfehlstellung – beim Schlucken drückt sie sich also in eine Zahnlücke hinein.

Die Ursachen für falsche Schluckmuster sind kaum eindeutig herauszufinden. Fest steht jedoch, dass beim Schlucken Kraft ausgeübt wird, um Speichel oder Nahrung in den Rachen zu transportieren. Über viele Jahre hinweg kommt dabei eine Zugkraft zustande, die der eines LKWs entspricht. Beim normalen Schlucken übt die Zunge ausschließlich Kraft gegen den Gaumen aus. Wird diese Kraft allerdings gegen oder zwischen die Zähne gepresst, so besteht die Gefahr, dass die Zähne sich verschieben oder dass sich sogar der ganze Kiefer verformt, da die Zähne (im Gegensatz zum Gaumen) der Zungenkraft nicht standhalten können.

Artikulationsstörungen

Kinder sind oft nicht in der Lage, bestimmte Laute richtig zu bilden. Häufig fehlgebildete Laute in Verbindung mit einem falschen Schluckmuster sind /s/, /sch/, /ch/, /z/, /t/, /d/, /l/ und /n/. Hier drückt sich die Zunge beim Sprechen fälschlicherweise zwischen oder gegen die Zähne. Am bekanntesten ist das Lispeln.

Für eine gestörte Lautbildung gibt es viele Ursachen: Hör- und Wahrnehmungsstörungen zum Beispiel. Eine häufige Ursache ist aber auch die fehlerhafte Bewegung der Lippen- und Zungenmuskulatur. Die an der Aussprache beteiligten Muskeln sind dann entweder zu schwach oder aber zu stark, sodass die richtigen Zungen- und Lippenbewegungen nicht ausgeführt werden können.

Eine veränderte Zahn- und/oder Kieferstellung sowie ein damit häufig verbundenes falsches Schluckmuster können die normale Lautbildung behindern. Schon bei einer veränderten Zungenruhelage – z. B. an oder zwischen den Schneidezähnen – kann die Aussprache gestört sein.

Mundatmung

Normalerweise atmen Menschen durch die Nase. Auf diese Weise wird die eingeatmete Luft angewärmt, gereinigt und befeuchtet. So sind Personen mit Nasenatmung z. B. weniger gefährdet, eine Erkältung zu bekommen, als Menschen, die durch den Mund atmen.

Die Ursachen für eine Mundatmung sind vielfältig. Einerseits können Polypen, häufig entzündete Mandeln und Erkältungskrankheiten den freien Atmungsweg durch die Nase verhindern. Andererseits gibt es bestimmte Zahn- und Kieferfehlstellungen, die den Mundschluss erschweren, sodass der Mund offen steht und damit auch durch ihn geatmet wird. Eine schiefe Nasenscheidewand kann die Luftdurchlässigkeit durch die Nase ebenfalls verhindern.

Selbst wenn die Ursache für die Mundatmung behoben wurde, wird diese häufig beibehalten, da sie zur Gewohnheit geworden ist. Die Mundatmung wiederum begünstigt eine falsche, abgesenkte Zungenruhelage. Liegt die Zunge im Kindesalter nicht am Gaumen, sondern am Mundboden, so kann sie den Oberkiefer nicht ausformen: Ein schmaler hoher Gaumen entsteht.

Zur Klärung der Ursache einer Mundatmung ist in vielen Fällen eine HNO-ärztliche Untersuchung notwendig.

Körperhaltung

Der Kopf ist bekanntlich über Wirbelsäule, Muskeln und Sehnen mit dem Gesamtkörper verbunden. So hat man in den letzten Jahren herausgefunden, dass Zusammenhänge zwischen Störungen der Körperhaltung und Störungen des Kopf-Mund-Bereiches bestehen.
Störungen im Bereich von Mund und Gesicht können sich auch auf den Gesamtkörper auswirken, und Störungen des Gesamtkörpers (z. B. Wirbelsäulenschäden) wiederum können den Mund-Gesichts-Bereich ungünstig beeinflussen. Untersuchungen haben beispielsweise gezeigt, dass bei Menschen mit einem Beckenschiefstand vermehrt ein seitlich offener Biss auftritt.

Auch die Körperspannung hat Einfluss auf den Mund- und Gesichtsbereich. Menschen, die eher angespannt sind, neigen auch zu Verspannungen in Kopf-, Gesichts- und Mundraum. Zähneknirschen, Zungenpressen oder Spannungskopfschmerzen können die entsprechenden Symptome sein.

Menschen, die eine eher schlaffe Körperhaltung haben, zeigen oft zu wenig Muskelspannung im Gesichts- und Mundbereich. Bei ihnen sind häufig eine offene Mundhaltung und eine geringe Kauaktivität zu beobachten.

Das Gleichgewicht im Mund- und Gesichtsbereich kann zudem gravierend gestört werden infolge von:

  • Schädel-Hirn-Verletzungen
  • Veränderungen der Sprechwerkzeuge (Lippen, Zunge, Kiefer; beispielsweise durch Tumorentfernungen oder Verletzungen)
  • Operationen zur Verbesserung von Kieferfehlstellungen
  • Syndrom-Erkrankungen (z. B. Down-Syndrom)
  • Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten

Myofunktionelle Therapie

Stellt ein Arzt eine Störung im Zusammenspiel dieser Muskeln fest, empfiehlt er eine Myofunktionelle Therapie (myo = Muskel): eine die Muskelfunktionen verbessernde Behandlung. Diese wird in der Regel von Sprachtherapeuten durchgeführt, die auf diese Form der Behandlung spezialisiert sind.

Die Myofunktionelle Therapie findet Anwendung in folgenden Bereichen:

  • Unterstützung der Kieferorthopädie (z. B. Zahn- und Kieferfehlstellung)
  • Unterstützung der Sprachtherapie (z. B. Lautbildungsfehler)
  • Unterstützung der Zahnmedizin (z. B. Prothetik, Zahnerhaltung, Kiefergelenksprobleme)
  • Unterstützung der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (z. B. Mundatmung)

Störungen im Mund-Gesichts-Bereich können viele Ursachen haben und zu sehr unterschiedlichen Auswirkungen führen. Für eine erfolgreiche Behandlung sind daher die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Fachberufen notwendig.

Diagnose

Doch was passiert nun in der Sprachtherapie bei einer myofunktionellen Behandlung? Zunächst ist eine detaillierte Diagnose der gegebenen Auffälligkeiten notwendig. Hierzu werden die Gesamtkörperhaltung, der Schulterstand sowie die Kopfhaltung beobachtet.
Anschließend beurteilt man alle im Gesicht und im Mundraum befindlichen Muskeln durch Bewegungsübungen oder Abtasten. Die Therapeuten achten auf die Atmung und den Mundschluss – sie stellen Fragen zu Gewohnheiten und zur Ernährung. Auch die Wahrnehmungsfähigkeit im Mundraum und die Zungenbewegungen beim Schlucken und Sprechen werden analysiert. Zum Schluss sollte eine weitgehend komplette Beschreibung der individuellen Situation im und um den Mundraum entstanden sein. Der auszuarbeitende Behandlungsplan geht dann individuell auf alle Faktoren ein.

Beseitigung schädlicher Gewohnheiten

Bereits Vorschulkinder lassen sich beim Abgewöhnen schädlicher Gewohnheiten therapeutisch begleiten. Dadurch werden Zahnfehlstellungen verhindert oder zumindest positiv beeinflusst. Beim Abgewöhnen des Daumenlutschens kann zum Beispiel der Einsatz von Mundvorhofplatten (eine Art Schnuller ohne Nuckel) sinnvoll sein, die wie ein Lippenschild zwischen Lippen und Zähnen liegen. Sie helfen, den Kieferbogen physiologisch zu formen. Ihr Einsatz sollte mit dem Zahnarzt oder Kieferorthopäden abgesprochen werden.

Bei Erwachsenen geht es zunächst um die Bewusstmachung der lästigen Gewohnheiten. Eine Zusammenarbeit mit dem Zahnarzt oder dem Kieferorthopäden ist hier besonders wichtig. Durch die Anpassung einer sogenannten Aufbissschiene kann erst einmal der Druck auf die Zähne und das Kiefergelenk reduziert werden.

Damit sind jedoch die Ursachen für die schädlichen Gewohnheiten noch nicht beseitigt. Die Behandlung des Mundraumes führt oft erst zum Erfolg, wenn zusätzlich Methoden zum Stressabbau (Autogenes Training, Feldenkrais, Alexander-Technik, Progressive Muskelentspannung etc.) sowie gezielte Entspannungstechniken für den Mund-Gesichts-Bereich angewendet werden. Ziel ist eine Umsetzung in den Alltag.

Schlucktraining

Ab einem Alter von ca. 7 Jahren kann die Sprachtherapeutin mit der Myofunktionellen Therapie beginnen. Hier wird häufig ein geradezu sportlicher Ehrgeiz der Patientinnen und Patienten angeregt. In einem mehrphasigen Programm werden der richtige Zungenruhelagepunkt und dann schrittweise auch die neue Schluckbewegung erlernt; beides wird nach und nach in den Alltag integriert. Dabei stärkt man die schwachen Muskeln, entspannt zu starke Muskeln und fördert die Wahrnehmung im Mundraum.

Da Muskelbewegungen nur durch häufiges Trainieren verändert werden können, müssen bestimmte Übungen ca. dreimal täglich zu Hause durchgeführt werden. Dieses Training ist zeitlich aufwendig (jeweils ca. 5–15 min) und sollte, damit es nicht vergessen wird, gut in die konstanten Alltagsverpflichtungen eingebunden werden. Die Behandlungsdauer richtet sich nach den individuellen Bedingungen: Alter, Schwere und Komplexität der Auffälligkeit, Mitarbeitsbereitschaft etc.

In einer letzten Phase wird in größeren zeitlichen Abständen kontrolliert, ob das erlernte Muster zur neuen Gewohnheit geworden ist.
Mit jüngeren Kindern lässt sich das direkte Schlucktraining noch nicht durchführen. Vorbereitend kann man allerdings durch mundmotorische Spiele die Wahrnehmung, Bewegung und Koordination beim Atmen, Schlucken und Sprechen verbessern. Gegebenenfalls wird auch die Nasenatmung angebahnt und der Mundschluss gefördert. Die Zungenruhelage kann als Voraussetzung für ein korrektes Schluckmuster und eine fehlerfreie Aussprache spielerisch eingeübt werden.

Verbesserung der Artikulation

In der Sprachtherapie wird die Myofunktionelle Therapie mit Übungen zur Verbesserung der Artikulation verbunden: Die Patienten lernen Sprachlaute, die aufgrund des falschen Schluckmusters fehlgebildet wurden, richtig zu artikulieren. Dafür trainiert man zunächst die einzelnen Laute, um sie anschließend Schritt für Schritt in Wörtern, Sätzen und im freien Erzählen einzuüben. Je nach Alter kommt dabei Bild-, Spiel- oder Schriftmaterial zum Einsatz.

Verbesserung der Nasenatmung

Nachdem HNO-ärztlich die Luftdurchlässigkeit der Nase abgeklärt wurde, kann mit dem Einüben des Mundschlusses begonnen werden. Hierzu wird dem Patienten der Atemweg bewusst gemacht. Zu Beginn und während der Übungsbehandlung misst die Therapeutin die Lippenkraft des Patienten. Lippenhaltung und Lippenkraft werden durch spielerische Bewegungs- und Halteübungen verbessert. Um einen dauerhaften Mundschluss zu erreichen muss die neu erlernte Lippenhaltung zur alltäglichen Gewohnheit werden. Erinnerungshilfen wie Kärtchen oder Aufkleber sind dabei sinnvoll.

Verbesserung der Körperhaltung

Um eine günstige Körperhaltung zu fördern werden haltungsverbessernde Übungen gezeigt. Gegebenenfalls wird auf weiterführende Angebote wie Krankengymnastik, „Rückenschule“ oder Entspannungskurse hingewiesen.

Tipps zur Vorbeugung und Unterstützung

Stillen Sie Ihr Kind, wenn eben möglich, mindestens 6 Monate, denn beim Stillen wird das harmonische Zusammenspiel der Muskeln eingeübt.

Gewohnheiten (Habits)

Achten Sie auf eine Befriedigung der Saug-, Schmatz- und Lutschbedürfnisse Ihres Kindes, indem Sie ihm z. B. Brotkrusten, Möhren, Beißringe oder Veilchenwurzeln (Drogerie) geben. Ein Schnuller sollte nur bei Bedarf zum Einsatz kommen. Für die Ausformung des Mundraumes ist er jedoch weniger schädlich als Daumen oder Finger. Der Schnuller sollte weich sein und leicht aus dem Mund fallen, damit so wenig wie möglich genuckelt wird.

Ernährung

Achten Sie auf eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung, um die Geschmacks- und Riechzellen zu entwickeln und zu erhalten. Knäckebrot, Vollkornbrot, rohes Gemüse, Obst und Fleisch regen das Kauen an.

Atmung

Bei vorwiegender Mundatmung sollten Sie zur Klärung eventueller organischer Störungen zunächst einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt aufsuchen. Übungen zur Nasenatmung und zu verschiedenen Atemtechniken kann Ihnen die Sprachtherapeutin zeigen.

Körperhaltung

Zur Erlangung und Erhaltung einer guten Körperhaltung sind Sport und jede Art von Bewegungsspielen sinnvoll. Sie fördern eine harmonische und unverkrampfte Haltung.

Motivationshilfen

Vielen Kindern fällt es schwer, mit der nötigen Ausdauer beim Schlucktraining zu bleiben. Helfen Sie Ihrem Kind, indem Sie sich neugierig zeigen, sich erklären lassen, was es zu üben hat und einige Übungen spielerisch gemeinsam durchführen. Viel Lob für konsequentes Üben ist wichtig! Überlegen Sie, wie Sie das tägliche Üben sinnvoll in das Alltagsgeschehen einbetten können. Erinnerungshilfen wie ein roter Punkt auf dem Badezimmerspiegel, ein Aufkleber auf dem Trinkbecher oder auf dem Federmäppchen sind hilfreich.

Spielerische Übungen

Bereits im Kindergartenalter können Sie spielerisch die Empfindsamkeit Ihres Kindes im Mundraum erhöhen. Lassen Sie Ihr Kind zum Beispiel Trockenfrüchte, Nüsse und diverse Körner sowie kleine Nudelformen oder Buchstabennudeln – bei geschlossenen Augen auf die Zunge gelegt – nur durch Ertasten mit der Zunge erraten und voneinander abgrenzen.

Für einen besseren Mundschluss können Sie bei sprachfreien Spielen einen flachen Gegenstand von den Lippen festhalten lassen (Schaschlikstäbchen, Spatel, Esspapierstreifen). Auf diese Weise kann man täglich ca. 5–10 min lang den Mundschluss und die Nasenatmung üben.

Gesichts- und Zungenbewegungen fördern Sie am besten, indem Sie gemeinsam mit Ihrem Kind vor dem Spiegel Grimassen schneiden und lustige Zungen- und Lippenbewegungen ausprobieren. Auch zuckerfreie Kaugummis können helfen, wenn man sie bei geschlossenen Lippen kräftig kaut.

Quelle: Ratgeber für Sprachheilpädagogik
Dr. Barbara Giel und Monika Tillmann-Karus